Dr. Kästners lyrische Hausapotheke
Gedichte auf Rezept, ausgestellt von Christian Dieterle
Als Erich Kästner 1936 eine Auswahl seiner Gedichte
veröffentlichen wollte, konnte er das nur in der Schweiz tun. Die
Nazis hatten 1933 mit vielen anderen auch seine Bücher
verbrannt, der Autor hatte Schreibverbot. Dennoch wurde der
Gedichtband schnell zu einem Bestseller (verbotenerweise auch in
Deutschland). Erich Kästner glaubte an eine therapeutische
Heilkraft von Gedichten und nannte darum seinen schmalen Band
»Dr. Erich Kästners lyrische Hausapotheke«. »Wer Kopfweh hat,
nimmt Pyramidon«, schrieb er im Vorwort: »Wer an Magendrücken
leidet, schluckt doppeltkohlensaures Natron. Bei Halsschmerzen
gurgelt er mit Wasserstoffsuperoxid. Und in dem Schränkchen, die
Hausapotheke heißt, halten sich, dem Menschen zu helfen,
überdies Baldrian, Leukoplast, Borsalbe, Pfefferminztee,
Mullbinden und Sublimatlösung in Alarmbereitschaft. Aber
manchmal helfen keine Pillen.
Denn was soll einer einnehmen, den die trostlose Einsamkeit des
möblierten Zimmers quält oder die nasskalten, nebelgrauen
Herbstabende? Zu welchen Rezepten soll der greifen, den der
Würgeengel der Eifersucht gepackt hat? Womit soll ein
Lebensüberdrüssiger gurgeln? Was nützen dem, dessen Ehe
zerbricht, lauwarme Umschläge? Die Einsamkeit, die
Enttäuschung und das übrige Herzeleid zu lindern, braucht es
andere Medikamente. Einige davon heißen: Humor, Zorn,
Gleichgültigkeit, Ironie, Kontemplation und Übertreibung. Es sind
Antitoxine.«
Eintritt: 12,- (10,-) Euro.
Karten in Baptistas Laden in der Lübecker Straße 10 und an der Abendkasse
Der Berliner Schauspieler
Christian Dieterle wird wie ein
guter Apotheker die bewährten
Heilkräfte der lyrischen
Hausapotheke verabreichen -
gern auf Rezept.